"Wir haben jetzt quasi einen Liveticker"

"Wir haben jetzt quasi einen Liveticker"

Interview Zeit Online:

Michael Schlieben

20. April 2021, 19:33 Uhr

Mike Mohring : Mike Mohring, Mitglied im Bundesvorstand der CDU, der am Montag über die K-Frage der Union zu entscheiden hat
Mike Mohring, Mitglied im Bundesvorstand der CDU, der am Montag über die K-Frage der Union zu entscheiden hat © Hannibal Hanschke/​Reuters

Mike Mohring ist Mitglied des Bundesvorstands der CDU. Nach zwölf Jahren an der Spitze der Landtagsfraktion kandidiert er in diesem Jahr erstmals für den Bundestag. Er war für Armin Laschet, aber zwischendurch ganz schön angenervt von der Sitzung, in der Laschet am Montagabend zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde.

ZEIT ONLINE: Herr Mohring, die Union hat sich in der K-Frage nun offiziell entschieden. Sind Sie erleichtert?

Mike Mohring: Ja, es war wichtig, dass wir eine klare abschließende Entscheidung präsentieren. Wir haben es uns selbst in der letzten Woche schwer gemacht. Es ist gut, dass wir jetzt wieder über unsere Themen und Inhalte sprechen können. Wahlen gewinnt man nicht mit Personaldebatten.

ZEIT ONLINE: Armin Laschet wird es. War er Ihr Wunschkandidat?

Mohring: Ich habe mich gestern im Vorstand klar für Laschet ausgesprochen. Wir wussten im Januar, als wir den Parteivorsitzenden gewählt haben, dass er auch nach der Kanzlerkandidatur greifen muss. Dass es nun noch mal zum finalen Showdown kommen musste, ist bedauerlich. Aber das ist ab jetzt Vergangenheit. Immerhin haben wir diese Diskussion offen und transparent geführt.

ZEIT ONLINE: An der CDU-Basis haben sich viele für Söder ausgesprochen.

Mohring: Aber es gab auch Unterstützer für Armin Laschet. Ich würde sagen: Unsere Basis traut es beiden zu. Jetzt kommt es auf unser Programm an. Und darauf, dass wir uns einig sind und nicht mehr öffentlich streiten. Wir brauchen eine glaubwürdige Erzählung.

ZEIT ONLINE: Ist es nicht eher so, dass die Führungspolitiker der CDU für Laschet waren? Die Basis aber eindeutig für Söder war, wie Umfragen zeigen.

Mohring: Es ist schon so: Die Umfragen kann man nicht wegdiskutieren. Aber wir haben im Bundesvorstand auch eine Gesamtverantwortung. Und leicht haben wir es uns gestern wirklich nicht gemacht. Aber wir wollten und mussten die Hängepartie beenden.

ZEIT ONLINE: Was macht Laschet besser als Söder?

Mohring: Beide sind kanzlertauglich. Aber jeder Mensch ist einzigartig und Ministerpräsidenten erst recht. Armin Laschet hat die große Fähigkeit, zu versöhnen und zusammenzuführen. Ich glaube, unser Land braucht nach der lähmenden Zeit der Pandemie und der Lockdowns genau diese Art von Politik.

ZEIT ONLINE: Startet Laschet seine Kandidatur nicht total beschädigt, nachdem ihm alle möglichen CDU-Verbände das Misstrauen ausgesprochen haben?

Mohring: Nein, Laschet hat uns gestern ausdrücklich zu einer offenen Debatte aufgefordert. Das war ein Zeichen von Größe, finde ich, dass er wirklich noch einmal in aller Breite in die Partei reinhören wollte. Wie ticken meine Vereinigungen und Landesverbände? Klar ist doch auch: Hätte Laschet gestern nicht das Vertrauen vom Vorstand ausgesprochen bekommen, wäre das ein verheerendes Signal gewesen. Beide Parteichefs haben ein Angebot gemacht und wir unseren Vorsitzenden unterstützt.

ZEIT ONLINE: Im Vorstand wurde gestern explizit darüber diskutiert, ob Laschet nicht ein Problem speziell für die ostdeutsche CDU wäre. Sachsen-Anhalte warnte davor, Laschet sei im Osten nicht vermittelbar. Der Osten wolle Söder.

Mohring: So eindeutig kann man das nicht sagen. Und, was ist denn nun die Alternative zu Laschet: Grün-Rot-Rot im Bund. Das wäre doch für den Osten keine gute Option. Und das wissen die meisten. Auf diese Auseinandersetzung wird es ankommen.

ZEIT ONLINE: Sie haben gestern getwittert: "Man kann es sich auch selbst schwer machen." Haben Sie so eine Woche im CDU-Vorstand schon mal erlebt?

Mohring: Nein, das war sicher außergewöhnlich. Was ich gestern meinte, nach sechs oder sieben Stunden Sitzung: Dass man sich so eine schwerwiegende Entscheidung nicht unnötig erschweren sollte: Da gab es E-Mails, die nicht ankamen, Geschäftsordnungsdebatten und technische Probleme. Das fand ich einfach unnötig.

ZEIT ONLINE: War die Sitzung schlecht vorbereitet?

Mohring: Nein. Die Sitzung wurde kurzfristig angesetzt und die Möglichkeit für eine digitale geheime Wahl vorbereitet. Der Rest war das Finale einer nervenaufreibenden Woche.

ZEIT ONLINE: Mehrere Medien haben aus der gestrigen Sitzung quasi live zitiert. Es entstand der Eindruck, dass nahezu jede Äußerung veröffentlicht wurde. Wie nehmen Sie das als Teilnehmer wahr?

Mohring: Ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn wir in Präsenz getagt hätten. Dann hätte man vielleicht eine größere Form der Vertraulichkeit schaffen können.

ZEIT ONLINE: Auch von den Ministerpräsidenten-Konferenzen kennt man dieses Phänomen. Hat sich die Politik durch Corona und die ständigen Onlinekonferenzen verändert?

Mohring: Ja, das hat sich brutal verändert. Wir haben ja jetzt quasi offenbar einen Liveticker parallel zu den Veranstaltungen. Ob das klug und verantwortungsvoll ist, müssen diejenigen mit sich ausmachen, die die Informationen weitergeben oder gar Außenstehende an den Sitzungen teilhaben lassen. Als jemand, der lange in Führungsverantwortung stand, kann ich da nur an die Vernunft und Loyalität appellieren. Verantwortung verlangt auch Disziplin.