Rede zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Thüringer Wirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen –Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigen“
Sehr geehrte Präsidentin, werte Zuschauer und Kollegen, es wird Sie nicht überraschen, dass das Thema „Dekarbonisierung der Wirtschaft“ für uns eine besonders hohe Priorität besitzt. Die Grundlage der Wohlstandsentwicklung in Deutschland und auch in Thüringen ist über Dekaden hinweg auf den Verbrauch von fossilen Brennstoffen aufgebaut. Was für das normale Leben gilt, gilt umso mehr für die Wirtschaft und die Industrie. Wir müssen uns bewusst machen, dass es gewachsene Strukturen bis in die kleinsten Unternehmen hinein sind, die dort das Leben prägen. Die Kehrseite des Wirtschaftswachstums und des Erfolgs unserer Industriegesellschaft, der auf billigen fossilen Brennstoffen beruht, ist eine massive Abhängigkeit bis in die kleinsten Verästelungen unseres Wirtschaftssystems hinein. Und gerade in diesen Tagen merkt man dieErschütterungen, die von der möglichen Einschränkung des Öl- und Gasbezugs aus Russland und der Energiepreisentwicklung ausgehen. Umso größer sind die Herausforderungen bei der anstehenden Transformation und Dekarbonisierung unserer Wirtschaft. Und hier müssen Lösungen her.
Wir können jetzt die Politik der Landesregierung in Bausch und Bogen kritisieren, allerdings ist es durchaus so, dass auch wir erste zarte Ansätze sehen, die sich den Problemen stellen. Ein solch gutes Beispiel ist das ZO.RRO-Projekt, das ein konkretes Angebot für die Thüringer Firmen darstellt, sich mit dem Thema „Dekarbonisierung“ zu beschäftigen. ZO.RRO steht für Zero Carbon Cross Energy System, also einen Ansatz zur Dekarbonisierung der Energieversorgung in der Industrie, der die Sektorenkopplung ins Zentrum der Bemühungen stellt. Und da sind wir bei dem eigentlichen Knackpunkt angelangt, wir haben das hier heute auch schon wieder gehört: Ausbau der erneuerbaren Energien, wir brauchen mehr Windkraft, wir brauchen mehr Photovoltaik. Herr Kollege Möller hat das Klimagesetzt zitiert, wo wir das Ziel formuliert haben, bilanziell Thüringen bis 2045 aus eigenen Quellen erneuerbar zu versorgen. Es ist aber genau das Ergebnis des ZO.RRO-Projekts, dass uns diese bilanzielle Betrachtung im Praktischen überhaupt nicht weiterbringt. Das Entscheidende ist, dass die Industrie, die Wirtschaft darauf angewiesen ist, Strom sicher und zuverlässig geliefert zu kriegen. Deswegen ist das große Petitum bei der Abschlusskonferenz des ZO.RRO-Projekts gewesen, dass wir uns von dieser bilanziellen Sichtweise lösen und ins Detail gehen – geplant und strukturiert. Und da muss ich leider sagen, hat die Landesregierung keinerlei Antworten auf das Problem.
Was bei der Abschlusskonferenz noch deutlich geworden ist, ist, dass es ein hervorragendes Projekt ist, was sozusagen auch auf empirischer Wissenschaft beruht, dass die Beteiligung der Thüringer Unternehmen bisher aber relativ gering ist. Hunderte Unternehmen wurden angeschrieben und eine Handvoll von Unternehmen hat sich erst beteiligt. Das Signal, was jetzt rausgegangen ist, ist, dass in den letzten Wochen und Monaten hier ein Wandel zu betrachten ist, dass es einen regelrechten Ansturm bei den Nachfragen gibt, sich an dem Projekt zu beteiligen. Das ist gut und wir hoffen, dass es in eine zweite Phase geht. Ein weiteres Projekt, wo wir eben auch sehen, dass Anstrengungen unternommen werden, ist das Pilotprojekt am Erfurter Kreuz. Aber auch da muss man fragen: Pilotprojekt klingt toll, aber wie lange dauert es denn, bis wir dort Erkenntnisse aus so einem Pilotprojekt haben? Die Dekarbonisierung der Thüringer Wirtschaft muss angegangen werden, und zwar flächendeckend, nicht in Pilotprojekten. Der Kollege von der AfD hat es schon angesprochen: Wenn es so läuft wie beim Wasserstoffzug, dass man schöne Fotos und tolle Pressekonferenzen macht und am Ende das Projekt aber nicht realisiert werden kann, dann ist uns allen nicht geholfen.
Die Dekarbonisierung der Wirtschaft verlangt konkrete Maßnahmen im Praktischen vor Ort. Wir müssen gucken: Was sind die Energiebedarfe unserer Industrie, was wird in den konkreten Gewerbegebieten gebraucht, und dann müssen wir die Chancen nutzen, die Chancen, Solar und Photovoltaik zu nutzen, die Sektorenkopplung, Gasinfrastruktur zu installieren, um auch Power-to-Gas zu ermöglichen. Das Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft, Speicher, Puffer, Hochtemperaturspeicher, all dies muss geplant und strukturiert eingesetzt werden. Und da versagt die Landesregierung und hat keinerlei Antworten. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.